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#1

Regentänzerin

in Kurzgeschichten 21.02.2010 16:24
von Määxi • 2 Beiträge

Regentänzerin

Sie hat das Gefühl innerlich zu zerbrechen. Und nun steht sie da und merkt nicht, wie ihr eine Träne über die Wange läuft. Schon wieder spürt sie den Schmerz, wenn sie an ihn denkt. In jeder Sekunde in der sie lebt, denkt sie nur an ihn. Sie weiß, dass er unerreichbar ist. Sie weiß, dass er nie zu ihr gehören wird. Irgendwann, das hofft sie, werden auch ihre Tränen zuende gehen. Viel zu lange hat sie dagestanden und in die Nacht geblickt. Weiß nicht mehr weiter. Was ist, wenn es nie wieder jemanden gibt, denn sie so lieben wird?
 
Der Regen prasselte auf sie nieder. Ihr war es egal. Sie dachte wieder nur an ihn. Er war ihr Leben. Zumindestens sollte er das werden. Aber sie wusste genau, dass er nie ihr Leben werden würde. Sie drehte sich und streckte ihre Arme aus. Der Regen durchnässte ihr Kleid. Ihre verklebten Haare flogen noch im Flugwind. Sie schloss die Augen.
Amélie, Amélie hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf.
Ihre Tränen vermischten sich mit dem warmen Sommerregen.
„Amélie!“, schrie ihre Mutter. Sie wirbelte herum. „Du sollst nicht immer draußen im Regen stehen. Da wirst du noch krank. Amélie, komm sofort rein.“
Sie schüttelte stumm den Kopf. Der Regen war ihr Element. Ihre Bewegungen verflossen sich mit den Tropfen. Immer wenn sie ihre Arme ihm Regen bewegte, fühlte sie sich erfüllt und frei. Dann konnte sie ihn einfach mal vergessen. Den Schmerz vergessen, der in ihr Herz zog, wenn sie sein Gesicht sah. Sein Lächeln bedeutete mehr als tausend Geschenke für sie. Bei einem Lächeln von ihm, wollte sie die ganze Welt umarmen.
Sie schlug die Augen wieder auf als der Regen langsam aufhörte. Plötzlich fing sie an zu rennen. Irgentwo hin. Einfach weg vor ihrem Leben, vor ihren Ängste, vor ihrer Sehnsucht.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mir ihr. Sie sah ihn wieder.
Adrian dachte sie verzweifelt. Nie wirst Du mein sein. Nur ein Kuss von Dir. Doch ich werde nie gut genug für Dich sein.
Sie rannte stumm weiter und wischte sich die kommenden Tränen weg. An einem einsamen Ort blieb sie stehen. In jedem Regentropfen ist ein kleiner Regenbogen versteckt. Die Sonne brach sie und brachte die Farben zum Ausdruckt. Sie malten Hoffnung auf ihr Gesicht und ein kleines Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.
 
Die Hoffnung stirbt zu letzt, so heißt es. War sie also auch schon tot? Zwar spürte sie ihr Herz noch schlagen, doch jeden Morgen wachte sie mit der einen Frage auf: Macht das Alles noch einen Sinn? Welchen dann? Keiner wusste es. Sie auch nicht. Sie sprach mit niemandem über ihre Probleme. Nur der Regen wusste alles genau. In ihre Bewegungen übertrug sie ihre Gefühle und ihre Empfindungen. Der Regen half ihr. Jedes mal, wenn sie die Tropfen auf ihrer Haut spürte konnte sie sich fallen lassen.
Amélie bedeutete die Liebenswerte und auch die Tapfere. Doch tapfer war sie keines Falls.
Ihre Kräfte gingen zu Ende. Sie wollte und konnte nicht mehr. Der Riss in ihrem Inneren war zu groß geworden. Die Leere hatte alles Glück und Leben verschlungen. Wie ein schwarzes Loch im Weltall.
Sie sank auf die Knie. Vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Knie schlugen auf. Der Boden war aus Stein. Eiskaltem Stein. Wieder war ihr alles egal. Eigentlich war sie kein Mädchen, das so kampflos aufgab. Sie kämpfte immer für den Moment und nicht für das Ende. Doch nun war das Ende nah, dass spürte sie.
Sie fiel auf die Seite. Amélie schrieb sie mit einem kleinen Steinbröcken auf den Boden.
Adrian, Ich liebe Dich. Für Immer. Schrieb sie darunter. Sie schloss die Augen und gab sich wieder ganz dem Prasseln auf ihrer Haut hin. Der Regen hatte noch nicht aufgehört. Der Himmel hatte sich noch nicht aufgeklärt.
Auch in ihrem Herz hatte sich einiges noch nicht geklärt. Doch das würde sich nie aufklären. Vielleicht würden sie im Himmel zusammen kommen. Vielleicht konnte der liebe Gott ihre Wünsche und ihr Verlangen dort besser erfüllen. Besser verstehen. Von dort oben würde sie ihn immer beobachten. Sie würde ihn immer sehen können. Tagsüber und Nachts. Während der Schulzeit und während seiner Trainingszeiten. Sie würde es gut dort oben haben, da war sie sich sicher. Jeder würde mit ihrem Verlust zurecht kommen. Wahrscheinlich würden die meisten es nicht einmal merken.
Sie sah empor in den Himmel. Ihr Mund stand offen und Regentropfen fielen hinein. Auch in ihre Augen. Sie war es bereits gewöhnt. Ihre Oberschenkel wurden langsam taub. Auch in ihren Füßen spürte sie nichts mehr. Kein Schmerz – Kein Leben. Ihre Lider wurden wieder schwer. Eine lange Zeit lag sie regungslos mit geschlossenen Augen dort.
"Amélie" flüsterte jemand in ihr Ohr. Sie spürte Lippen an ihren. Nur kurz und leicht. "Ich werde immer an Dich denken.", sagte die Stimme noch einmal.
Sie schlug noch einmal kurz die Augen auf. Von ihren Wimpern tropften ein paar kleine Wasserperlen. "Adrian.", stieß sie zwischen ihren Zähnen hervor, ehe sie in seinen Armen in den ewigen Schlaf fiel.
Er hielt sie noch lange fest. Hielt ihren regungslosen Körper an sein pulsierendes Herz. Er weinte nicht. Bereute nichts. Trauerte still in seinem Inneren. Er malte ein Kreuz hinter ihren Namen. Er nahm sie wieder fest in den Arm und stand mit ihr auf. Trug sie nach Hause. Seine Gefühle waren unerklärlich. Hunderte Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Es war zu spät. Zu spät um alles zu ändern. Man soll die Vergangenheit hinter sich bringen. Aber Vergangenheit war erst dann, wenn es nicht mehr wehtat. Der Regen hörte langsam auf. Der Himmel wurde wieder blau. Die dunklen Wolken verzogen sich. Der letzte Tanz war getanzt. Für immer und ewig. 


zuletzt bearbeitet 21.02.2010 16:25 | nach oben springen

#2

RE: Regentänzerin

in Kurzgeschichten 21.02.2010 16:38
von Mona • 20 Beiträge

wow, sehr schön geschrieben !
Super gemacht Määxi..
Ist auch sehr traurig, aber ich mag traurige Geschichten..
Amelie fängt einen von ihrem ersten Satz an.. Wundervoll..
xoxo
Mona


Bewertung: (5/5 roses)


zuletzt bearbeitet 21.02.2010 20:26 | nach oben springen

#3

RE: Regentänzerin

in Kurzgeschichten 17.03.2010 16:26
von Coco
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Oh je, das Ende ist traurig! Aber richtig mitreissend geschrieben, ich habe wirklich mitgefühlt und gelitten!
LG Coco

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